10 Fragen an Arne D. Fühler
16.07.2016
Arve D. Fühler
Entwickler
Monasterium
TA-KE
Pagoda
El-Gaucho
Hallo Arve, vielen Dank, dass du dir für die Fragen Zeit nimmst.
Du bist seit einigen Jahren als Entwickler tätig. Könntest du den Lesern und Leserinnen Einblicke in die Entstehungszeit eines Spiels geben? Wie viel Zeit verbringst du mit dem Entwickeln und wie vereinst du zeitlich Beruf und Spieleentwicklung?
Erst mal ist zu sagen, das ich ein "Freizeit-Spieleautor" bin – so wie viele meiner Kollegen auch. Hauptberuflich bin ich Kommunikations-Designer und arbeite als Kreativ-Direktor in einer Frankfurter Werbeagentur.
Um deine Frage zu beantworten, schildere ich am besten mal, wie eine Arbeits- und Spiele-Woche bei mir aussieht:
Ich stehe um ca. 5.30 Uhr auf, mache mich fertig, schwinge mich ins Auto und fahre in die Agentur. Ich verbringe täglich über eine Stunde im Auto. Diese Zeit nutze ich – besonders früh morgens – um über aktuelle Projekte nachzudenken und um Ideen im Kopf zu konkretisieren und durchzuspielen. An meinem Arbeitsplatz angekommen arbeite ich dann meistens von 6.30 bis ca. 9.00 Uhr an Spielideen und Prototypen. Ab 9 Uhr fängt mein "Agentur-Alltag" an, der dann eben so lange geht, wie er gehen muss, dass sind meistens so um die 10 Stunden. Wenn ich dann abends zu hause bin, sitze ich noch oft ein bis zwei Stunden und mache "Schreibkram" – Regeln schreiben, Mails beantworten, Soziale Netzwerke und Kontakte pflegen usw.
1 oder 2 Mal in der Woche besuche ich regelmäßige Spieleabende, bei denen ich häufig meine Prototypen teste. Hinzu kommen noch abendliche Spieltermine mit Freunden und Bekannten bei denen auch niemand von diversen Testrunden verschont bleibt. Außerdem habe ich mit drei anderen Autoren aus der Region einen regelmäßigen Autorentreff, und dann gibt es natürlich noch diverse Spieleveranstaltungen über das Jahr verteilt …
Am Wochenende spiele ich meistens mit meiner Frau und manchmal auch mit meinen erwachsenen Kindern. Hier teste ich am liebsten neuen Ideen. Die Familie ist etwas toleranter und belastbarer wenn eine Idee noch so gar nicht funktioniert – und das passiert durchaus sehr oft.
Das klingt alles nach sehr, sehr viel Zeit, die in meine Spiele-Aktivitäten fließt – und dem ist auch so. Spieleentwickeln ist harte Arbeit ;-) Das ganze funktioniert aber nur, weil meine liebe Frau mich dabei auf ganzer Linie unterstützt und mir viele alltägliche Dinge abnimmt – außerdem ist sie auch noch meine härteste und ehrlichste Kritikerin.
Stehen in der Agentur allerdings wichtige Projekte an, haben diese oberste Priorität und das "Freizeit-Spieleentwickeln" tritt in den Hintergrund. Und ab und zu mache ich auch mal ein paar Tage "Spielefrei", damit im Kopf wieder ein wenig Freiraum für neue Ideen entstehen kann.
Mit den Spielen "El Gaucho", "Pagoda" und "Scharfe Schoten" hast du dich als Entwickler in der Szene etabliert. Kannst du beschreiben, wie du zum ersten Mal in der Brettspielszene Fuß gefasst hast (Kontakt/Prototyp etc.)?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig weiter ausholen – nicht nur textlich, sondern auch zeitlich – denn meine ersten Spiele entwickelte ich schon Anfang der 1990er-Jahre. Zu dieser Zeit hatte ich als freier Grafiker für den Spieleverlag "Welt der Spiele" gearbeitet und folglich schon früh Kontakte in die Szene gehabt. Mit Mario Truant verbindet mich eine lange Freundschaft und auch Joe Nikisch habe ich in diesen Jahren kennen gelernt.
Nicht nur, das ich bei Welt der Spiele an einigen deutschen Brett- und Rollenspiel-Publikationen als Grafiker beteiligt war, für ein von mir entwickeltes Kartenspiel hatte ich bereits einen Vertrag in der Tasche. Das Spiel und den Vertrag gibt es noch, den Verlag allerdings nicht mehr, er ist kurze Zeit später Pleite gegangen. (Das lag aber nicht an meinem Spiel, es wurde nie veröffentlicht.)
Ich habe das mit dem Spieleentwickeln dann aus den Augen verloren. Aus heutiger Sicht muss ich sagen – "leider". Aber ich war gerade mit dem Studium fertig und mein erster Sohn war geboren. Also kümmerte ich mich mehr um meinen beruflichen Werdegang und um meine Familie. Viel gespielt und mit Spielen beschäftigt habe ich mich aber über all die Jahre natürlich weiterhin.
Die Entscheidung, mich wieder aktiv als Spieleautor zu betätigen, kam dann im Frühsommer 2012. Ich hatte begonnen an ersten Ideen und Prototypen zu arbeiten. Nach ein wenig Online-Recherche habe ich ein "Grundlagensmeniar für Spieleautoren" gefunden, bei dem ich mich auch gleich angemeldet habe. Das Seminar hat kein geringerer als Christwart Conrad geleitet und als "Partner" hatte er das spielerische Urgestein Lothar Hemme (ehemals Redakteur bei "Ravensburger") mit an Bord. Außerdem ist das Seminar durch äußere Umstände zu einem "legendären" Seminar geworden und es waren einige Leute dabei, die heute keine Unbekannten in der Szene sind, unter anderem Matthias Nagy (Frosted Games, Bretterwisser) und Aaron Haag (Yunnan). Das waren also keine schlechten Voraussetzungen für einen Einstieg in die Szene, wie sich zeigen sollte.
Eines meiner ersten fertigen Spiele war "Pagoda", das ich im Herbst 2012 beim "Hippodice" Autorenwettbewerb eingereicht hatte. Im Februar 2013 hatte ich dann drei weitere ziemlich ausgereifte Prototypen, mit denen ich zur Spieleerfindermesse nach Haar gefahren bin, um sie erstmals Verlagen zu präsentieren. Und was ab dann passierte ist eigentlich unbeschreiblich:
Der wirklich aller erste Verlagskontakt den ich in Haar hatte, war mit Zoch. Sie haben sich gleich für eines meiner Spiele begeistert und einen Prototyp mitgenommen. Es war das Stichspiel "Alles Kacke", das im Frühjahr 2014 unter dem Titel "Scharfe Schoten" erschienen ist.
Im Sommer 2013 war ich dann auf dem Spielautorentreffen in Göttingen. Hier wurde "Pagoda" mit dem "Hippodice" Sonderpreis als bestes Zwei-Personen-Spiel ausgezeichnet. Der Preis hatte dann auch einige Verlagsanfragen zur Folge und wenig später hatte ich den Vertrag mit Pegasus in der Tasche.
Im Februar 2014 war ich dann wieder bei der Spieleerfindermesse in Haar und stellte "El Gaucho" vor. Aaron Haag, der sein "Yunnan" bei Argentum veröffentlicht hatte, schickte Roman Mathar von Argentum zu mir. Er schlug sofort bei "El Gaucho" zu und wollte es noch im selben Jahr zur "Spiel" in Essen rausbringen. Ein ambitioniertes Timing, aber zusammen mit dem Redakteur Christwart Conrad (hier schließen sich die Kreise) haben wir hart an dem Spiel gearbeitet und es tatsächlich zur Messe fertig bekommen.
Drei Veröffentlichungen in einem Jahr – und das als kompletter Neueinsteiger. Ich kann es heute noch nicht glauben. Das Ganze wurde am Jahresende noch gekrönt als ich nach Spanien eingeladen und mit dem "DAU" Barcelona als bester "neuer Autor 2014" ausgezeichnet wurde. Als "bester Autor" wurde Bruno Cathala gewürdigt. Eine tolle Bekanntschaft. Außerdem waren als Gäste unter anderem noch Bruno Faidutti und Jason Matthews ("Twilight Struggle") eingeladen. Plötzlich hatte ich nicht nur Kontakte zu der Szene in Deutschland, sondern auch international. Und Bruno Faidutti hat mich auch sofort zu seinem jährlichen "Gathering" nach Frankreich eingeladen – hier treffen sich Autoren, Verlagen und Freunde. Eine tolle Veranstaltung, bei der ich dieses Jahr zum 2ten mal dabei sein durfte und viele großartige internationale Autoren kennenlernte. Außerdem konnte ich hier Kontakte zu weiteren ausländischen Verlagen knüpfen – ein Wahnsinn!
Zusammengefasst kann ich sagen: Es war schon ein wirklich hartes Stück Arbeit, aber es hat sich gelohnt und ich bin wirklich überglücklich und dankbar ein Teil dieser offenherzigen Spielerszene geworden zu sein.
Mit dem aktuellen Familienspiel "Skibe" hast du auch in diesem Jahr für eine Veröffentlichung gesorgt. Warum ein Wikingerthema? Hat es womöglich etwas mit deinem Vornamen Arve zutun, der ja auch skandinavisch klingt ;)?
Ja, der Name Arve ist tatsächlich skandinavisch, und ist hauptsächlich in Norwegen verbreitet. Meine Großmutter väterlicherseits kam allerdings aus Finnland – ich bin also ein "Viertelfinne", aber in Wirklichkeit bin ich echter Frankfurter.
"Skibe" hieß in der ersten Fassung noch ganz banal "Fische", denn es ging darum Fische zu fangen. Mit der Weiterentwicklung des Spiels kam dann die grafische Idee der Boote hinzu. (Wer erinnert sich noch an das alte Ogallalla?). Als ich dann eine Story für das Spiel suchte, bin ich auf Eric den Roten gestoßen. Seine Geschichte lieferte den passenden erzählerischen Rahmen. Und so entstand dann mein Arbeitstitel "Viking". Allerdings wusste ich schon, dass es einige thematisch ähnliche Spiele gibt und der Name sicherlich nicht endgültig ist. Als dann "Huch! & friends" das Spiel realisieren wollten, haben der Verlag und ich lange einen neuen Titel gesucht. Das was gar nicht so einfach, da viele Namen und Begriffe aus dem isländischen, bzw. nordischen für uns leider unaussprechlich sind. Die endgültige Entscheidung fiel dann auf Skibe – das ist dänisch und heißt schlicht und einfach "Schiff".
Wie kam es denn zu der Kooperation mit dem Verlag "Huch! & friends", der derzeit dein neues Spiel "Skibe" veröffentlicht hat?
Die Redakteure von "Huch! & Friends" habe ich bei einem Termin auf den internationalen Spieletagen "SPIEL" in Essen kennen gelernt. Hier hatte ich Ihnen ein paar Prototypen von mir gezeigt. Mit dabei waren "Viking" (also "Skibe") und auch "TA·KE", ein taktisches 2-Personen-Spiel. Bei dem Treffen waren Britta Stöckmann und Simon Hopp dabei. Wir waren uns von Anfang an sympathisch und die Zusammenarbeit war und ist wirklich eine Freude.
Hast du grundsätzlich ein Faible für "Wikingerthemen"? Wenn ja, dann hast du sicher schon von "Ein Fest für Odin" gehört, das dieses Jahr erscheinen soll? Schon gespannt darauf? ;)
Nein, ein Faible für Wikinger habe ich nicht. Genauso wenig wie für Gauchos oder chinesische Baumeister ;-) Ich finde es aber immer wieder spannend bei der Spielentwicklung in ein Thema einzutauchen und sich damit spielerisch auseinander zusetzen.Und natürlich habe ich vom neuen "Rosenberg" gehört. Ich werde mir das Spiel auf jeden Fall ansehen und sicherlich auch spielen. Generell mag ich die "leichten" "Rosenbergs" lieber, als die sehr strategischen, bei dem man alles durchrechnen muss – und "Ein Fest für Odin" sieht wieder nach einem Spiel mit ganz vielen Möglichkeiten und mit ganz viel Material aus, bei dem man ganz lange grübeln kann … aber ich lass mich überraschen.
Hast du mit "Skibe" nun alle deine Protypideen „verpulvert“ oder wird von deiner Seite aus in diesem Jahr noch was auf die Spieler und Spielerinnen zukommen? Im Jahr 2014 hast du ja drei Spiele veröffentlicht.
Oh nein. Verpulvert habe ich meine Ideen noch lange nicht – und es kommen auch immer neue hinzu. Geplant war für dieses Jahr eine weitere Publikation bei "Huch! & friends". Die Veröffentlichung des 2-Personen-Spiels "TA·KE" (Arbeitstitel) wurde aber aus Produktionstechnischen Gründen verschoben und ist jetzt zur Spielwarenmesse Nürnberg geplant. Ich freue mich schon wahnsinnig auf "TA·KE", da ich es für mein bisher bestes Spiel halte.
Außerdem arbeite ich zusammen mit "Argentum" an einigen Erweiterungen zu "El Gaucho". Neben Material und Regeln für einen fünften Spieler haben wir einige tolle Module in Arbeit. Diese können einzeln oder auch in Kombinatgionen eingesetzt werden. Sie machen "El Gaucho" abwechslungsreicher, taktischer und interessanter. Hier dürften sich besonders die "Vielspieler" freuen. Ob das allerdings alles bis zur "SPIEL" 16 klappt wird sich zeigen. Noch bin ich optimistisch.
Aktuell sind weitere fertige Prototypen bei diversen Verlagen und warten dort darauf getestet zu werden. Ich bin sehr gespannt auf die ersten Rückmeldungen. Und natürlich teste ich permanent neue Ideen und arbeite an bereits fortgeschrittenen Prototypen – unter anderem seit fast schon 2 Jahren an einem etwas komplexeren Vielspieler-Spiel.
Gibt es Spieleautoren oder generell Personen aus der Brettspielszene, mit denen du befreundet bist und dich außerordentlich gut verstehst? Wenn ja, wer und warum?
In der Spieleszene habe ich in den letzten Jahren viele tolle Menschen kennen gelernt. Die meisten Leute aus der Szene treffe ich natürlich auf diversen Spieleveranstaltungen und auf den Messen. Mit einigen habe ich aber auch zwischendurch zum Teil recht engen Kontakt. Es würde hier aber den Rahmen sprengen, wenn ich alle aufzählen müsste.
Allerdings gibt es einen Autor- und Spielerfreund, den ich namentlich nennen möchte. Das ist Guido Eckhof, mit dem mich jetzt eine über 30jährige mehr als spielerische Freundschaft verbindet. Guido war es auch, der meine Leidenschaft für Spiele entfachte und der bei jeder meiner Spielentwicklungen von Anfang an dabei war. Er ist aber nicht nur begeisterter Spieler, sondern auch Spieleentwickler. Sein Spiel "Big Kini" war 2005 recht erfolgreich und bei seinen vielen tollen Ideen bin ich fest davon überzeugt, dass man in den nächsten Jahren mehr von ihm hören wird.
Wie würdest du Deinen Autorenstil mit drei Wörtern beschreiben?
Einfach geradeaus.
Leicht taktisch.
Spielerisch interaktiv.
(Das sind 3 Wörter! Keine Wiederrede!)
Was sind eigentlich derzeit deine drei Lieblingsspiele? Und welche würdest du den Spielern empfehlen?
Oh je, ich habe befürchtet das so eine Frage kommt. Und ich werde sie hier so beantworten wie sonst auch: Mir ist egal was ich spiele, viel wichtiger ist, mit wem ich was spiele. Mein Lieblingsspiel ist also immer das Spiel, das mit den richtigen Leuten am meisten Spaß bringt.
Und auch das mit einer allgemeinen Empfehlung ist schwierig, weil es so viele unterschiedliche Spielertypen gibt. Eine wirkliche Empfehlung kann ich nur einer bestimmten Person oder einer halbwegs heterogenen Gruppe geben.
Wie findest du es eigentlich, dass man dich auf dem Cover von "Skibe" verewigt hat? War das abgesprochen oder letztlich doch eine Überraschung für dich :)?
Das war eine ganz bezaubernde Idee von Simon Hopp, dem verantwortlichen Redakteur bei "Huch! & friends". Er fand wohl, das ich mit meinem aktuellen Aussehen ganz gut als Wikinger durchgehen könnte ;-) Eigentlich wollte er mich damit freudig überraschen, aber er bekam dann wohl doch kalte Füße und hat mich gefragt, ob ich damit einverstanden bin. Ich habe mich wirklich sehr gefreut – über die Idee und auch über die Umsetzung. Ich finde mich ganz gut getroffen und fühle mich auf dem Cover in der Rolle als Bootsbauer sehr wohl.