10 Fragen an Wolfgang Lüdtke
09.09.2016
Wolfgang Lüdtke
Mitarbeiter
Kosmos Verlag
Kosmos Verlag
Guten Tag Herr Lüdtke, schön, dass Sie sich für die 10 Fragen des Brettspiegels Zeit nehmen.
Sie sind Redakteur bei "KOSMOS Spiele" und haben an Projekten, wie z.B. "Die Legenden von Andor", "Lost Cities", "Kahuna", "Halali", "Jambo", "Targi" und "Machi Koro" gearbeitet. Beschreiben Sie doch mal für die Leser und Leserinnen die genauen Aufgabenbereiche ihrer Tätigkeit beim Verlag "KOSMOS"?
Ich bin einer von vier Redakteuren und einer Redakteurin im Bereich Familien- und Erwachsenenspiele. Meine Aufgaben sind sehr vielfältig. Bei einem neuen Spielprojekt fängt es in der Regel damit an, dass ein Autor uns per E-Mail, am Telefon oder in einem persönlichen Gespräch auf einer Messe sein Spiel vorstellt. Bei einer Einreichung per E-Mail fordere ich zunächst die Spielregel und als Anschauungsmaterial ein paar Fotos des Prototypen an. In den anderen Fällen frage ich gezielt nach den Besonderheiten des Spiels. Warum sollte sich ein Spieler dafür interessieren? Was unterscheidet es von den vielen anderen Spielen, die es bereits gibt? Kommt das Spiel grundsätzlich für uns in Frage, fordere ich einen Prototypen an. Wenn er in den ersten Spielrunden überzeugt und etwas hat (was immer das sein mag), stelle ich es im Verlag zunächst in der Redaktion vor. Und wenn er weitere Tests übersteht, entscheiden wir gemeinsam in unserer halbjährlichen Programmkonferenz, dass wir den Titel machen wollen. Als Nächstes oder parallel dazu überlegen wir, welches Thema das Spiel haben könnte. Vielleicht ist das eingereichte Thema schon ideal, manchmal ändern wir aber auch das Setting. Steht das Thema fest, beauftrage ich einen Illustrator, der für das Projekt in Frage kommt, mit der Gestaltung des Spiels. Gleichzeitig wird mit dem Autor weiter am Spiel gefeilt. Meistens wird über den Titel des Spiels noch diskutiert. Manchmal nehmen wir aber auch den, den der Autor eingereicht hat, weil er einfach passt. Damit wir das Spiel kalkulieren lassen können, werden die Komponenten des Spiels festgelegt. Holz oder Kunststoff? Größe der Karten? Wie viele Karten? Wie viele Tableaus? etc. Für unseren Verkauf erstelle ich einen Info-Text für unseren Außendienst, fürs Marketing einen Textvorschlag für den Katalog. Außerdem formuliere ich den Text auf der Schachtelrückseite. Dann folgt Lektoratstätigkeit. Die Spielregel muss geschrieben und redigiert werden. Die Schachtel muss fertig werden. Dafür brauchen wir für die Rückseite eine gute Abbildung, für die ich die Vorlage entwerfe und die wir dann auch für den Katalog nutzen können. Zwischendurch beantworte ich Regelfragen für längst erschienene Spiele. Ich formuliere Absagen für abgelehnte Prototypen. Die sind zwar meistens kurz, aber kein Standard, sondern konkret auf die Stärken und Schwächen des jeweiligen Spiels bezogen. Ab und zu bastel ich Muster, um ein englisches Spiel auf deutsch spielen zu können oder eine Grafik zu prüfen, ob sie funktioniert.
Ist Ihnen mit dieser Tätigkeit ein Berufswunsch in Erfüllung gegangen? Oder haben Sie evtl. noch Ziele und Wünsche im Bereich Ihrer Tätigkeit?
Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. So einfach ist das. Anfangs hatte ich die Sorge, dass ich dann Spiele nicht mehr als Hobby hätte. Aber das ist nicht so. Auch heute spiele ich noch genauso gern wie früher. Mein Wunsch und mein Ziel ist es weiterhin gute, möglichst besondere und manchmal auch ungewöhnliche Spiele zu machen, die bei den Spielern gut ankommen.
Bald ist ihr 20-jähriges Jubiläum bei "KOSMOS" ;). Wie blicken Sie auf diese lange Schaffenszeit zurück? Da ist doch bestimmt ein ultimativer Spieleevent mit allen Kosmos-Mitarbeitern geplant ;)
Im nächsten Frühjahr arbeite ich in der Tat seit 20 Jahren für "KOSMOS". 16 Jahre lang als externer Redakteur mit unserer früheren Firma "TM-Spiele", bei der ich zusammen mit Reiner Müller Geschäftsführer war. Zu "TM" gehörten außer Reiner Müller und mir noch Klaus Teuber, Peter Neugebauer und von 1996 bis 2009 Fritz Gruber. Nach der Auflösung unserer Firma vor 3 Jahren kam das Angebot, direkt für "KOSMOS" zu arbeiten.
Es war eine tolle Zeit. In den Anfangsjahren gab es im Verlag so etwas wie eine Pionierstimmung. Außer "CATAN" (damals noch "Die SIEDLER von") gab es nicht viele Spiele im Programm. Im ersten Jahr haben wir ein halbes Jahr nach der Übernahme unserer Redaktions- und Beratungstätigkeit von Alex Randolph "Halunken & Spelunken" veröffentlicht und als Nachfolger des "SIEDLER-Kartenspiels" (heute "CATAN – Das Duell") mein 2-Personen-Spiel "Caesar & Cleopatra". Das kam so gut an, dass in der Folge unsere Reihe von thematischen Spielen für zwei Personen entstanden ist, zu der Titel wie "Lost Cities", "Kahuna", "Halali" und viele andere gehören. Die meisten 2er-Spiele in dieser Zeit waren abstrakt und hatten – anders als unsere Spiele – kein Glückselement. Im Prinzip war (und das gilt auch heute noch) bei "KOSMOS" vieles möglich. Wir haben ein für die damalige Zeit so komplexes Spiel wie "La Città" von Gerd Fenchel ebenso veröffentlicht wie Heinrich Glumplers originelles Tabletop-Rennen "Zauberstauber". Mit "Ta Yü" von Nik Neuwahl haben wir gezeigt, dass abstrakte Spiele mit Glückselement erfolgreich sein können, was in der Folge von Spielen wie "Einfach Genial" und "Ubongo" noch getoppt wurde, die beide meine Kollegin Bärbel Schmidts bearbeitet hatte (die übrigens auch bald auf ihr 20. Jahr im Verlag zurückblicken kann). Die Krönung war dann 2008 die Auszeichnung "Spiel des Jahres" für "Keltis". Auch wenn nicht alle Spiele erfolgreich waren, bin ich dennoch stolz, dass wir mit dem "Hexer von Salem" ein Horror-Spiel, mit "Snapshot" ein Geschicklichkeitsspiel, mit "Der Pate" ein Gangsterspiel und mit "Die Säulen der Erde" und "Die Tore der Welt" zwei erfolgreiche und beliebte Buchverspielungen gemacht haben.
Ich hatte das Glück und Vergnügen früh mit Franz Vohwinkel arbeiten zu dürfen, mit dem wir unsere ersten "TM-Spiele" und bei Goldsieber alle Familien- und Erwachsenenspiele gemacht haben und mit dem ich auch heute immer wieder gerne Projekte umsetze, wie aktuell Michael Rienecks "Mit List und Tücke". Aber auch Claus Stephan und Michael Menzel haben wir in die Spieleszene gebracht. Außerdem durfte ich den Anstoß geben für die ersten Veröffentlichungen von Michael Rieneck und Inka und Markus Brand, mit denen ich ebenfalls jederzeit gerne etwas mache.
Sehr viele Spieler und Spielerinnen warten schon ganz sehnsüchtig auf den dritten Teil der "Andor-Reihe" „Die Legenden von Andor-Die letzte Hoffnung“. Können Sie ein bisschen erzählen, wie sich die Arbeit an diesem Projekt gestaltete und ob sich Schwierigkeiten ergaben?
Ursprünglich wollten wir den letzten Teil der "Andor-Trilogie" erst im nächsten Jahr veröffentlichen, zum 5-jährigen "Andor-Jubiläum". Doch hatte der Autor Michael Menzel, der schon länger an den Legenden für Teil III gearbeitet hatte, dann so viele Ideen und Lust, die Geschichte schon in diesem Jahre zu erzählen. Im Januar hat er mich gefragt, ob ich mir das auch vorstellen könne. Da ich gespürt habe, wie wichtig ihm das war, habe ich nach Rücksprache im Verlag die Zusage gegeben. Schnell war klar, dass es sich um ein eigenständiges Spiel handeln sollte. Denn wir wollten den Andor-Fans ersparen, sich aus dem Grundspiel und evtl. auch noch aus Erweiterungen vor jeder Legende Material zusammensuchen zu müssen. Außerdem sollte Teil III auch inhaltlich das große Finale darstellen. Es sind 7 Legenden enthalten und mit 143 Legendenkarten fast doppelt so viel wie im Grundspiel. Alleine die letzte Legende hat mit 35 Legendenkarten den Umfang der Sternenschild-Erweiterung.
Wenn ich Sie schon über aktuelle Projekte befrage, dann lass ich es mir nicht nehmen, Sie auch auch über die anstehende Erweiterung von "Targi" und über das Spiel "Luther" auszufragen ;) Was macht diese Spiele aus Ihrer Sicht interessant?
Beide Spiele stehen fast an gegensätzlichen Enden des Spielespektrums. „Targi –Die Erweiterung“ richtet sich an die Fans des beliebten 2er-Spiels und damit tendenziell an Vielspieler. Beim Arbeiten und Testen der Erweiterung haben wir festgestellt, wie gut schon das Grundspiel ist und wie viel Spaß der Mechanismus macht. In der Erweiterung kommen daher wenige Regeln dazu. Es werden die Stammeskarten komplett ausgetauscht. Dadurch kommen neue Kartenfunktionen ins Spiel. Besonders reizvoll sind die Wanderdünen, die sehr starke Einmal-Aktionen bieten. Da sie außerhalb des Spielfelds liegen, büßt man mit einem Targi, den man dort einsetzt, allerdings einen Kreuzungspunkt und damit eine Aktion ein.Mit "Luther – Das Spiel" wollen wir in erster Linie Gelegenheitsspieler erreichen, die sich für die Themen Luther und Reformation interessieren. Dennoch war es uns wichtig, ein Spiel und nicht z. B. ein Quiz zu machen. Mechanisch betrachtet, handelt es sich um ein Reise- und Sammelspiel, bei dem man ganz nebenbei einiges über Luther und seine Zeit erfährt. Wer das noch vertiefen möchte, findet weitere Hintergrundinfos zur Reformation, den Orten und Personen im Spiel in einer beiliegenden 12-seitigen Broschüre. Das Konzept unseres Spiels hat die Kirche und die staatliche Geschäftsstelle, die für das Reformationsjubiläum zuständig ist, so begeistert, dass sie uns auf alle Ebenen unterstützen und unser Spiel bei ihrer Arbeit einsetzen wollen. Schön war, dass wir das Konzept in Wittenberg nicht nur vorstellen durften, sondern der Prototyp mit den Verantwortlichen mit Begeisterung gespielt wurde. Da lohnt sich dann auch eine 6-stündige Zugfahrt, die ich mit meiner Kollegin aus dem Marketing dafür übernommen habe.
Spielen Sie eigentlich auch privat/beruflich die Spiele von "Kosmos", an denen Sie nicht direkt mitgewirkt haben?
Beruflich spiele ich alle Spiele, die im Verlag erscheinen, um informiert zu sein, auch die Kinderspiele. Privat spiele ich, wozu ich Lust habe. Von den letzten Spielen gehören "Imhotep", "Steam Time" und die "DC Superhelden" dazu. In der Vergangenheit waren das Spiele wie "Nosferatu" und Reiner Knizias "Der Herr der Ringe". Auch "Ubongo" und "Einfach Genial" kommen immer wieder auf den Tisch. Besonders freue ich mich auf "Word Slam" von Inka und Markus Brand, das im Herbst erscheint und auf deren "EXIT-Spiele", die ich noch nicht alle ausprobiert habe.
Auch Sie waren mal als Entwickler tätig. Reizt es Sie nicht mehr, ein Spiel komplett als Autor alleine zu entwickeln?
Ich liebe es, mit Autoren Spiele weiterzuentwickeln. Im Team an Ideen zu feilschen und in der gemeinsamen Diskussion immer noch ein bisschen mehr herauszuholen. Als Autor werde ich wahrscheinlich erst wieder tätig, wenn ich nicht mehr jeden Tag als Redakteur mit Spielen zu tun hätte. Um ein neues Spiel zu entwickeln, müsste ich den Kopf dafür frei haben.
Die Spiele, die ich gemacht habe, sind weniger aus Eigeninitiative als aus einer Notwendigkeit heraus entstanden. Bei F. X. Schmid wollten sie ein Partyspiel machen, hatten aber nichts Überzeugendes im Angebot. Daraus ist während meines Sommerpraktikums mit dem damaligen Redakteur Christian Beiersdorf "AHA!" entstanden. Fürs "Siedler-Kartenspiel" suchten wir einen Nachfolger. Es gab aber nichts in dieser Spielart. Da habe ich mich hingesetzt und "Caesar & Cleopatra" entwickelt. Und als wir für die Spiele zum Film "Der Herr der Ringe" nichts hatten, haben wir uns im "TM-Team" an die Entwicklung der ersten beiden Spiele gemacht. Wenn ich heute für eine bestimmte Spielart oder Lizenz einen Auftrag zu vergeben habe, weiß ich, welche Autoren ich anrufen kann. Da muss ich nicht mehr selber ran und mehr Spaß macht das auch.
Welche Spiele von anderen Verlagen gefallen Ihnen denn noch so und warum? Evtl. eine Empfehlung für die Leser und Leserinnen? ;)
Aktuell finde ich "Codenames" klasse. Das ging mir so, seit ich die englische Fassung vor einem Jahr gespielt hatte. Ich habe eine feste Runde, in der ich mehrmals im Jahr "Activity" spiele. "Zug um Zug", "Love Letter" und "King of Tokyo" spiele ich jederzeit mit. Ab und zu spiele ich "Space Hulk", "Betrayal at the House on the hill" oder "Powerboats". Immer wieder gerne auch "Fauna". Ganz groß ist bei uns "Der Große Wurf". "Tabu", "Time’s up" (= "Sag’s mir") und "Stille Post Extrem" gehen auch immer. Viel gespielt habe ich früher "Barbarossa", "Kuhhandel", "Halli Galli" und "Bohnanza". In einer Runde spiele ich zur Zeit "Pandemic Legacy". (Wir sind immerhin im März angekommen, wird also auch in echt noch ein paar Monate dauern.) Ein Faible habe ich seit seinem ersten Spiel "Lords of Creation" für die Spiele von Martin Wallace. Reizvoll finde ich auch "Kingsburg", "Castle Panic", "Mysterium" und aktuell "Oben und Unten". Meistens sind es Spiele mit viel Interaktion oder Thema. Reine Optimierungsspiele sind weniger mein Ding. Der Spaß steht für mich im Mittelpunkt, nicht die Aufgabe.
Was bedeutet für Sie die Spielemesse "SPIEL" und auf was freuen Sie sich bei der diesjährigen "SPIEL 16" am meisten?
Auf der "SPIEL" bin ich seit sie zum ersten Mal in den Messehallen stattfand. Zunächst einfach nur als Spieler, der – damals noch ohne Internet – Spaß daran hatte, besondere Spiele zu entdecken. Die ersten Spiele vom "Hans im Glück Verlag" und von Friedemann Friese habe ich dort gekauft. Auf dem Flohmarkt jede Menge Spiele verkauft und anschließend doppelt so viele neue Spiele eingekauft. Mit "TM" waren wir drei Jahre lang Aussteller und zunächst mit Goldsieber (für die "TM" die ersten Jahre gearbeitet hatte) und dann für "KOSMOS" als Redakteur vor Ort. Ich bin von Donnerstagmorgen bis Sonntagmittag in meiner Kabine und führe Gespräche mit Autoren und schau mir neue, hoffentlich vielversprechende Spielideen an. Dem Namen "Internationale Spieltage" trägt die Tatsache Rechnung, dass seit ein paar Jahren die meisten Gespräche auf Englisch geführt werden. Am Mittwoch unterstütze ich unsere Presse, stelle auf der Neuheitenshow unsere neuen Spiele vor und bin gespannt, wie sie beim Fachpublikum ankommen. Ab Sonntagmittag wandere ich dann durch die Hallen und schaue zumeist nach Spielen, die mich privat interessieren. Das sind dann eher die Exoten. Aber vielleicht ist ja wieder mal ein "Machi Koro" dabei.
Zum Schluss noch ein Kommentar zu den diesjährigen Nominierungslisten bzw. Gewinnern des "Spiel des Jahres" sowie des "Kennerspiel des Jahres"?
Siehe Antwort zu 8). Ich wäre aber auch über "Imhotep" nicht unglücklich gewesen. Ist ein tolles Spiel.