10 Fragen an Harald Lieske
22.11.2016
Harald Lieske
Illustrator
Die Burgen von Burgund
Puerto Rico - Kartenspiel
Funkenschlag - Kartenspiel
Gentes
Hallo Herr Lieske, schön, dass Sie für das Interview Zeit gefunden haben.
Können Sie sich kurz einmal denjenigen vorstellen, die Sie noch nicht kennen?
Harald Lieske ist mein Name. Ich zeichne, spiele und musiziere für mein Leben gern. Seit 2003 illustriere ich Brettspiele und kann somit sogar zwei von meinen Leidenschaften kombinieren – super!
Was waren Ihre letzten Projekte und was können Sie Interessantes über diese berichten?
Sehr großen Spaß hatte ich dieses Jahr z.B. an "Solarius". Als Science Fiction-Fan ein reines Science Fiction Spiel illustrieren zu dürfen, das ist schon toll. Es gibt ja erstaunlicherweise nicht sooo viele Spiele, die thematisch so verortet und frei sind. Besonderen Spaß hat es mir gemacht, da es keine "klassische" Science Fiction-Optik werden sollte, sondern "irgendwas" zwischen *Thunderbirds* (kennt noch jemand diese famose Puppentrickserie aus den 60ern?) und *nordkoreanischen Propaganda-Plakaten* (sehenswert!). Eine besondere Herausforderung war auch das Spiel "Fabelsaft" – mit 59 verschiedenen Kartenmotiven.
Mit welchem Spiel ist Ihnen nach Ihrer Ansicht der Durchbruch als Illustrator gelungen?
Wahrscheinlich war es schlicht das erste von mir illustrierte Spiel welches produziert wurde: "Cronberg". Ich habe auch vorher schon auf Messen Verlagen mein Portfolio gezeigt, das aber zu der Zeit eher aus Comics und freien Arbeiten bestand; nachdem ich jedoch ein fertig illustriertes und produziertes Spiel vorzeigen konnte, war die Aufmerksamkeit der Verlage eine andere als vorher.
Sagen wir mal ein Kind würde zu Ihnen sagen: Mein Wunsch ist es später, Illustrator von Brettspielen zu werden. Was würden Sie dem Kind antworten?
Ein Kind würde ich einfach nur ermuntern und unterstützen, den eigenen Träumen und Wünschen unbedingt nachzugehen. Das ist superwichtig für´s Leben.
Die Antwort an einen Erwachsenen wäre eine andere. Ich würde sagen: Ich liebe meinen Beruf, würde ihn aber nicht zwingend weiterempfehlen. Ich liebe diesen Beruf, da ich mit meinen Leidenschaften Zeichnen und Spielen tatsächlich den Broterwerb für mich und meine Familie erzielen kann – das ist fantastisch und für mich ein Traum! Nicht zwingend weiterempfehlen deshalb, da Brettspiele zu gestalten aber leider auch immer wieder bedeutet, in knappster Zeit mit kleinstmöglichem Budget die bestmögliche Gestaltung zu liefern.
Haben Sie auch Kontakt zu anderen Illustratoren aus der Szene?
Klar – über die Jahre läuft man sich ja häufig auf Messen oder anderen Spieleveranstaltungen über den Weg. Da ist auch durchaus der ein oder andere Kontakt entstanden, der manchmal auch mal über die Spielewelt hinaus geht. Illustratoren sind ja meist eher "Einzelkämpfer" – ich empfinde es aber als sehr inspirierend sich mit anderen über Gestaltungen und Techniken auszutauschen. Grundsätzlich fänd ich eine Art Vernetzung – wie sie z.B. bei den Spiele-Autoren auch besteht – wünschenswert.
Würde Sie sagen, dass Sie gut ausgelastet sind, oder könnten Sie noch mehr Aufträge vertragen?
Ich weiß zumindest größtenteils schon längst, womit ich mich 2017 beschäftigen werde. Es gibt immer Zeiten, in denen "noch was geht" – genauso aber auch Zeiten, in denen grenzwertig viel zu tun ist.
Wie kann man sich Ihren Arbeitsprozess so vorstellen?
Neben den "klassischen Abläufen" wie Recherche, Skizzen, Abstimmung mit dem Verlag etc. steht für mich am Anfang auch die spannende Frage, welche Art von Illustration ich auswähle, bzw. auswählen darf. Ich habe nicht "den einen Stil", sondern probiere auch immer gerne neue Techniken und Wege aus, das macht für mich einen großen Teil des Reizes an meinem Beruf aus. Als ein Beispiel habe ich ein paar Bilder zur Entwicklung des Covers für "ULURU" beigefügt. "Uluru" ist ja das Wort der Aboriginies für den Ayers Rock in Australien. Somit habe ich mir ein Cover vorgestellt, das sich ein wenig an der Punkt-Malerei der Aboriginies orientiert, die seit den 80ern bekannt bzw. etabliert wurde. Ursprünglich wollte ich sogar mit Farben aus Steinpigmenten aus der Region des Ayers Rock malen.
Ich habe als erstes eine grobe Visualisierung meiner Idee auf dem Rechner erstellt. Schon in diesem Schritt habe ich gemerkt, dass die Farbpalette aus natürlichen Pigmenten nicht ausreichen würde (Bilder 1 & 2). Zum besseren Verständnis habe ich ein kleines Muster-Beispiel in Punkt-Malerei erstellt – die Wirkung eines solchen Musters lässt sich kaum skizzieren (Bild 3). Ein Test-Tier habe ich am Rechner hinzugefügt (Bild 4). Nachdem ich verlagsseitig grünes Licht für meine Idee bekommen habe, habe ich mich in einzelnen Schritten an die Umsetzung gesetzt. Einen ganzen Tag lang Punkt für Punkt zu setzen war eine ziemlich interessante Erfahrung (Bild 5). Da ich wusste, dass ich die einzelnen Tiere auch noch für die Spielinhalte brauchen würde, habe ich diese einzeln illustriert (Bild 6). Nach dem Einscannen habe ich die Farben des Hintergrundes am Rechner noch etwas bearbeitet (Bild 7) und dann die einzeln illustrierten Tiere und den Titel zum finalen Cover dazu montiert (Bild 8).
Ich habe auch noch ein Making-of-Video von einer Kartenillustration beigefügt. Hier ist auch noch mal deutlich zu sehen: In den meisten Fällen illustriere ich auf Papier. Ich brauche einfach abends die Farbe an den Händen. Und ich mag die Anmutung von Illustrationen auf Papier – für mich besitzen diese eine nicht zu simulierende Lebendigkeit. Dennoch verbringe ich unterm Strich mehr Zeit vor dem Rechner als vor dem Papier.
Zum einen, da ich oft einzelne Teile illustriere, einscanne und dann am Rechner zusammenbaue. Somit kann ich besser reagieren, falls es im Spiel, während ich schon daran arbeite, noch zu Änderungen kommen sollte. Zudem illustriere ich in der Regel größer als die Bilder später zu sehen sein werden – ein Spielplan z.B. würde dann schnell vom Format und Aufwand her viel zu groß.
Zum anderen biete ich als Illustrator und Grafiker die komplette Palette von der ersten Skizze über die Illustration, Grafik und Layout von Karten, Regeln, Schachtel bis hin zur Druckdatenabgabe an. In manchen Fällen erstelle ich also "nur" die Illustrationen, oft aber erledige ich auch die Grafik- und Layoutarbeiten bis hin zur Druckdatei-Abgabe.
Die klassische Brettspiegel-Frage: Wie würden Sie Ihren Illustrationsstil mit drei Wörtern beschreiben?
Eigen, organisch, Papier
Sie haben ja auch als Entwickler agiert und u.a. das Spiel "Agora" entwickelt. Können Sie sich nochmal vorstellen, ein Spiel zu konzipieren?
Ich sage mal so - es gibt eine Menge reizvoller Töpfe:
- Vor zwei Jahren habe ich mit Pinsel, Feder und Tusche die Graphic Novel „Tear Tales Trust“ illustriert. Ein solches Projekt würde ich sehr gerne noch mal machen.
- Seit ich vor 2,7 Jahren Papa geworden bin, entwickle ich Ideen für Kindercomics und versuche, diese von Zeit zu Zeit auch umzusetzen.
- Seit 10 Jahren bin ich mit meiner Band "ZMT" als Bassist aktiv. Aktuell basteln wir am Material für unser fünftes Album.
- Es gibt auch noch ein Aufnahmeprojekt namens "FELSON", wofür ich mich immer wieder mal mit unserem "ZMT-Schlagzeuger" zusammensetze.
Ich muss also immer wieder sehen und entscheiden, in welchem Topf ich gerade rumrühren kann. Und alle brauchen so viel Zeit und Hingabe wie möglich; Familie und Broterwerb stehen dabei natürlich an erster Stelle.
Spieleideen habe ich auch immer wieder – ein paar Prototypen habe ich auch noch im Regal.
Diese jedoch über die gefühlten 90% hinauszubekommen, so dass das Spiel nicht nur spielbar und funktionstüchtig ist, sondern auch dauerhaften Spaß und ein "gewisses Etwas" bietet – dafür braucht es eben auch wieder viel Zeit und geduldige Tester. Das bekomme ich zurzeit nicht wirklich hin – aber wer weiß ...?
Welche Bedeutung hat eigentlich für Sie das Illustrieren von Brettspielen?
Ich habe meine Leidenschaften Spielen und Zeichnen zum Beruf machen können. Und dieser Beruf macht mir immer wieder auf´s neue Spaß. Das sagen zu können, empfinde ich als großes Geschenk und sehr erfüllend.